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Ein Reisebericht von Wilhelm Stoll – auf den Spuren der Lebensmittelerzeugung.

Das Valle de Agaete ist das fruchtbarste Tal Gran Canarias. Dies wurde mir umso schneller klar, als ich die unendliche Vielfalt an Obst und Gemüse, sowie die exotische Pflanzenpracht sah. Es wird behauptet, Leonid Breschnew, der ehemalige Parteichef der KPdSU, hätte sich aus diesem Tal immer seine Papayas einfliegen lassen, da sich weltweit keine besseren fänden.

Meine Reise galt allerdings nicht diesen herrlichen Früchten. Ich suchte die in Europa seltene Pflanze Coffea und hier die Kaffeepflanze/Sorte “Arabica”, die es in Europa nur einmal gibt und zwar auf Gran Canaria.

Begleitet wurde ich von meinem Dolmetscher „Silviu“, der mir das fehlende Orts- und Sprachwissen ersetzte.

Der einzige Kaffee Europas wächst unter Bäumen

Kaffeepflanzen sind empfindlich. Und daher werden im Schatten der Obstbäume des Valle de Agaete meterhohe Sträucher kultiviert, die die begehrten Bohnen hervorbringen. Möglich wird das durch das einzigartige Mikroklima im Tal. Es bietet die richtige Mischung aus Sonne und Wärme und spendet Windschutz und Schatten. Die Kultur der Kaffeepflanze Arabica ist aufwendig. Die Pflanzen benötigen große Mengen an Wasser, da der Boden nicht austrocknen darf. Das macht eine ausgeklügelte Bewässerung notwendig und ist ein Grund, warum Kaffee sonst meist in höheren Berglagen wächst, wo anhaltende Regenfälle ihm genügend Feuchtigkeit bieten. Kaffee braucht nährstoffreichen Boden, der im Tal durch den vulkanischen Ursprung der Insel, ausreichend vorhanden ist.

Im arabischen Raum kultivierte man Kaffee bereits ab etwa 1200 n. Chr. Nach Europa fand das Getränk seinen Weg allerdings erst 1576, dank des deutschen Arztes und Botanikers Leonhard Rauwolf, der ihn von einer Expedition in den Orient mitbrachte. Das erste Kaffeehaus wurde 1645 in Venedig am Markusplatz eröffnet. Heute trinkt jeder Bundesbürger durchschnittlich 150 Liter Kaffee jährlich – das sind zweieinhalb Tassen pro Tag. (Im Vergleich zu Bier, da sind es 130l p.J.) Auf die Kanaren gelangten die ersten Kaffeepflanzen vermutlich erst Ende des 18. Jahrhunderts. Seit dem 19. Jahrhundert wird im Valle de Agaete Kaffee angebaut.

Mühevolle Handarbeit

Geht man über die Kaffeeplantage, fühlt man sich ein bisschen wie in den Tropen; so dicht und üppig grün sind die Sträucher. Die Blätter erinnern an schöne Zimmerpflanzen. Im Frühsommer beginnen die Pflanzen zu blühen. Weiße bis rosafarbene kleine Blüten, ähnlich dem größeren Jasmin, zieren die Sträucher. Geerntet wird jedoch erst im darauffolgenden März bis April. Die nah beieinander liegenden Kaffeekirschen sitzen direkt an den Stängeln, was die Ernte erschwert, zumal die Kirschen nicht alle zur gleichen Zeit reifen. Der Café de Agaete wird ausschließlich manuell geerntet. Erst wenn die Beeren dunkel sind, fast wie echte Kirschen, werden diese abgezupft. Übung macht dabei den echten Meister. Deshalb liegt die jährliche Kaffee Produktionsmenge im gesamten Tal auch nur bei 1.500 bis 2.000 Kilogramm.

Man stelle sich vor, dass aus ca. 8 kg geernteten Früchten nur ca. ein Kilogramm Kaffee entsteht. Jede Beere von Hand gepflückt und nur die reifsten, das macht die einzigartige Qualität des Café de Agaete aus diesem Tal aus.

Nach der Ernte wird er getrocknet. Auch das ist ein aufwändiger Vorgang. Unter freiem Himmel werden Holzgestelle ausgebreitet. Die einzelnen Kaffee-Schichten dürfen dabei nicht zu hoch gestapelt und müssen ständig gewendet werden, da die Beeren sonst zu schimmeln beginnen würden.

Während des Trocknungsprozesses (ca.20 Tage) werden die Beeren immer dunkler. Dann werden die (noch grünen) Kaffeebohnen herausgeschält und vollständig vom Fruchtfleisch befreit.

Nun werden die grünen Kaffeebohnen geröstet. In Agaete macht man das von Hand. Es gibt keine industrielle Rösterei. Das ist auch der Grund, warum der Kaffee von Finka zu Finka unterschiedlich schmeckt. 15 – 20 Minuten dauert das Rösten bei einer Temperatur von 220 – 250 Grad Celsius.

Die Besonderheit

Ein Kilo dieses mühevoll und in höchster Qualität hergestellten Kaffees kostet um die 60 €. Wer jedoch das aufwändige Kultivieren, Ernten und Verarbeiten dieses herrlichen Kaffees kennt, bringt Verständnis auf für den hohen Preis und manch einen überkommt der Gedanke, ob er nicht noch teurer sein müsste.

Wer den Café de Agaete gekostet hat, schmeckt diesen Zauber des Valle de Agaete und erkennt den Unterschied zu den angebotenen Massenkaffees im Supermarkt! Der Café de Agaete ist etwas ganz Besonderes. Sein Geschmack ist herrlich aromatisch, dabei sanft und bekömmlich und er zeigt wenig Säure und Bitterkeit. Ich trank ihn begeistert nur schwarz und das als überzeugter Milchkaffeetrinker.

Der Tag im Valle de Agaete war ein besonderes Erlebnis geprägt auch von den netten Menschen die mir begegnet sind. Mein Dank gilt vor allem der Führerin vor Ort und auch meinem Dolmetscher, denen ich diese Bereicherung danke.

Nachrede

koennen & handeln begleitet viele Unternehmen der Lebensmittelproduktion und des Handels. Wilhelm Stoll ist immer wieder unterwegs auf den Spuren der Erzeugung und Produktion, um authentisches Wissen, Bildmaterial und Geschichten einzusammeln.